Hintergründe der "Blauen Tsunami" in Wien aus Sicht eines Grünen in Floridsdorf

Uns, den Grünen ist vollkommen klar, wenn wir Verkehrspolitik als Umweltpolitik, Luftgüte, CO2-Minderung, Resourcenschonung, Lärm, fossile Energien wegbringen und statt dessen erneuerbare Energien fördern wollen, dann sind das starke Umweltthemen, aber für die Menschen da draussen, die uns hätten wählen sollen, bedeutet es:
Die Grünen nehmen mir das Autofahren weg, sie verhindern, dass ich leben kann, wie ich bisher gelebt habe.

Wenn wir als Grüne nicht lernen, richtig mit den Menschen zu kommunizieren und zwar mit denen, die jetzt vielleicht aus Angst blau gewählt haben, werden in den Flächenbezirken noch mehr Stimmen verloren gehen. Und sagt nicht, dass das auf Wien gerechnet nicht relevant ist: Ein Fünftel der Stimmen sind immer noch für die Grünen in Wien in den Bezirken Favoriten, Simmering, Liesing, Donaustadt und Floridsdorf abgegeben worden, trotz enormen Zustrom zu den Blauen!

Wir sind als Grüne in der Zwickmühle. Auf der einen Seite sollen wir die Leute beruhigen, dass sie ihre Wohnungen, ihren Arbeitsplatz nicht verlieren werden, weil diese "Gefahr" der sogenannten Überfremdung von Wien ja schon seit mindestens 150 Jahre anhält und sich eigentlich ganz gut in die Bevölkerung integriert hat und sie trotzdem eine Wohnung haben und sich viele ein Auto leisten können um jeden Preis. Auf der anderen Seite müssten wir sie darüber aufklären, dass bei weiterer Bodenversiegelung, sei es durch wahnwitzige Wohnbauten auf kostbarem Ackerland und verrückte Straßenbauten durch Nationalparks und Kleingärten, es schon bald nicht mehr möglich sein wird, allen Menschen mit 3000 m2 Anbaufläche/Kopf Ernährungssicherheit zu garantieren. Wir müssten ihnen sagen, dass schon jetzt für jeden Menschen in Österreich im Ausland auf 1400 m2 Nahrung angebaut werden muss, um das zu erreichen. Schon in den späten 80er-Jahren im vorigen Jahrhundert hat Österreich aus Äthiopien, während es dort eine verheerende Hungersnot gab, um 30 Millionen Schilling pro Jahr Gemüse importiert. Wer sagt das den Menschen da draussen, dass wir allen denen, die jetzt zu uns flüchten, schon lange ihr Essen und ihre Ressourcen wegnehmen und es eben an der Zeit ist, davon auch etwas wieder abzugeben.

Wirtschaftswachstum kann nur dort entstehen, wo es nach einem Weltkrieg die Notwendigkeit des Wiederaufbaus gibt. Wenn alles darniederliegt kann und muss die Wirtschaft wachsen. Spätestens in den 90ern hat sich gezeigt, dass dieser Wiederaufbau abgeschlossen war und sofort sind die ersten Berufe ausgestorben, die Gewerkschaften haben kläglich versagt bei der Koordination der neuen digitalen Berufe, die Menschen waren überfordert, die erste Arbeitslosenwelle war da! Das war die Zeit, wo die Blauen mit populistischen Ansagen das erste Mal wirklich in die Regierung gekommen sind. Seither haben wir die schlechtesten, ideenlosesten und korruptesten Politiker in Österreich erlebt: Die letzten 15 Jahre dieses Jahrhunderts waren sogar weltweit ein finanzpolitisches Debakel und unsere Politiker ( ganz bewußt gehe ich da von den Wienpolitikern zu den Bundespolitikern über) hatten dem nichts entgegenzusetzen als den saublöden Ausspruch "gehts der Wirtschaft gut, gehts uns allen gut!". Die ÖVP wundert sich heute, dass sie zu einer Kleinpartei zusammengeschrumpft ist, aber genau diese Partei zusammen mit dem Wirtschaftsbund hat nichts besseres zu tun gehabt, als für die Gewinnmaximierung Leute zu entlassen, die zweite Arbeitslosenwelle war da! Was hat die SPÖ dabei gemacht? Hmm, die hat zugesehen und konnte sich gegen den kleineren Regierungspartner nicht durchsetzen! Die Steuerreform, die vielgepriesene, ist eine Verhöhnung der Menschen im Lande die Arbeitslos sind. Hinaufsetzen des Pensionsalters und den älteren als 45 keine Chancen mehr auf Arbeit einzuräumen ist eine lächerliche Verhöhnung und die betrifft viele hunderttausende Menschen im Land. Den Blick aufs Pensionskonto zu ermöglichen hat fast alle, die das gemacht haben, völlig verunsichert. Die Ankündigung, dass trotz höchster Steuereinnahmen der Finanz in der zweiten Republik, das Vertrauen des Staates in seine Bürger so gering ist, das sie jetzt ein völlig undurchdachtes Registrierkassensystem einführen werden, das vor allem kleine und mittlere UnternehmerInnen schwer belastet, betrifft wiederum die, die jetzt reihenweise zu den Blauen übergehen.

Vieles wäre durch gezielte Kommunikation und Bildung zu erklären, manche Ängste könnten aus der Welt geschafft werden, aber sie müssen beim Namen genannt werden. Ja, Verkehrspolitik IST Umweltpolitik, aber wenn man es nicht erklärt und nichts dazu sagt, wird das von vielen nicht verstanden. Luftgüte, CO2-Emission, für uns eine klare Sache, dass nur mit einem geringeren Individualverkehrsaufkommen und weniger Autos in der Stadt, eine Luftverbesserung zu erzielen ist, dass die Leute durch die 365 € für die Jahreskarte vom Auto weg zu den Massenverkehrsmitteln gebracht werden, ist uns sicher auch positiv angerechnet worden, aber da geht es um Statussymbole, um Bequemlichkeit beim Einkauf oder einfach nur um die Lust am Fahren. Dinge, die sich viele Wiener, die in Gemeindebauten wohnen, trotz Arbeitslosigkeit quasi vom Mund absparen! Diese Leute scheissen uns auf den Umweltschutz, die verstehen nur, dass ihnen die Radlerpartei das Autofahren verbieten will, wie ihnen das natürlich phrasenhaft von Strache und Company vorgebetet wird. Von denen hören sie auch, dass ihnen die Syrer alles wegnehmen werden. Weder die Ungarn 1956, noch die Tschechen 1968 und auch die, auch damals schon aus einem anderen Kulturkreis kommenden Bosnier haben die Blauen nennenswert in die Höhe gebracht. Nicht einmal die Einwanderungswelle von Türken während der Schüssel-Regierung hat sonderlich gestört. Aber das muss einfach deutlich gesagt werden!

Diese Blaue Welle ist hausgemacht, weil wir für viele, die uns früher gewählt haben, einfach nicht mehr die Umweltpartei sind, die wir früher waren. In dem Moment, wenn wir es schaffen, an diese Leute heranzukommen, sie zu verstehen und ihre Sorgen ernst zu nehmen, können wir sogar in den Gemeindebauten noch viele Stimmen herausholen. Umwelt hat etwas mit der Welt um uns zu tun und die wollen wir für ALLE verbessern. Wenn wir das nicht mehr machen wollen, werden wir in den Flächenbezirken noch mehr Stimmen einbüßen.

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