Sonntag, 1. November 2009

"Sozialtransferkonto"

Hat der Finanzminister da einfach schlecht recherchieren lassen oder doch eher absichtlich mit falschen Zahlen argumentiert?
Zu diesem Zweck hat er eine angebliche Studie von Joanneum Research herangezogen um zu beweisen, dass sogenannte Transferleistungen Leistungswillige benachteiligen würden...
In dieser "Studie" werden drei Familien, jeweils mit 2 Kindern im Alter von 12 Monaten und 4 Jahren, beide Elternteile sind jeweils berufstätig, miteinander verglichen. Der Unterschied zwischen den Familien besteht eigentlich nur im Einkommen oder Lohn. Die Familie Gruber bekommt brutto 950,- € Familieneinkommen (je 475,-), die Familie Maier 1900,- € (je 950,-) und die Familie Schmied kann sich über 3800,- € freuen (also je 1900,-). Dann wird das Netto-Einkommen mit Transferzahlungen gegenübergestellt. Und siehe da: hier bekommt die Familie Gruber satte 2572,- €, die Familie Maier 2992,- und die Arme Familie Schmied, mit der wohl keiner von den anderen Familien tauschen will, gerade einmal 3192,- € ausbezahlt.
Da kann einem wirklich der Neid fressen! Dem entsprechend hat der ebenfalls viel zu viel verdienende, um in den Genuss dieser Transferleistungen zu kommen, Chefredakteur der Presse, Michael Fleischhacker, sofort reagiert. Da muss etwas geschehen! "Es geht nicht an, dass Prölls Verdacht zutrifft, wonach es heute schon Steuer zahlende Familien gibt, die über weniger Einkommen verfügen als Nichtsteuerzahlerfamilien!"
Der arme Herr Fleischhacker! Er hätte nur der traditionellen Gepflogenheit der Presse folgen müssen und einen Artikel erst loszulassen, wenn er vorher gründlich recherchiert ist.
Da hätte er bemerkt, dass diese "Studie" gar keine Studie des Joanneum Research ist, sondern ein Artikel des Mitarbeiters des Joanneum Franz Prettenthaler in Zusammenarbeit mit Cornelia Steiner, in der weitestgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit publizierten Zeitung "Gesellschaft & Politik. Zeitschrift für soziales und wirtschaftliches Engagement" erschienen ist.
Weiters hätte er da vielleicht bemerkt, dass die Zahlen, mit denen da gerechnet wurden, schlicht und einfach falsch sind. Die von mir nur überschlagsmäßig berechneten tatsächlichen Nettozahlungen sehen da bereits ganz anders aus: die Familie Gruber bekommt da etwa 1600,- €, die Familie Maier etwa 2400,- € und die Familie Schmied doch immerhin 3495,- € ausbezahlt.
Wenn ich die Wahl hätte, welches Familieneinkommen ich beziehen möchte, würde ich mich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht bei den beneideten Grubers sondern wohl doch eher bei den "armen", Steuer zahlenden Schmieds einordnen.
Da wäre nur noch die Frage zu klären, wieso der Finanzminister und auch der Chefredakteur glauben, dass jemand, der ein geringes Einkommen hat, weniger dafür arbeiten muss, als jemand mit einem hohen Einkommen?

Nur ein Spiel...

Da gab es in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts ein Spiel, ich glaube von Frederik Vester, das nannte sich Ökolopoly. Es ging dabei eigentlich im großen und ganzen darum, dass man mit Hilfe verschiedener Maßnahmen die Entwicklung eines Staates lenkte und wer das am besten beherrschte, war am besten Weg, das Spiel auch zu gewinnen. Eine wirklich schlagende Maßnahme war da z.B. die Ausgaben für Bildung zu erhöhen. Mehr Bildungsförderung machte sich etwas später dann durch Verbesserungen auf allen anderen Gebieten bezahlt. Aber das war ja nur ein Spiel...
Die Wirklichkeit sieht ganz anders aus:
Wenn dem Staat die Bildung der Bürger kein Anliegen mehr ist und die Finanzierung der Lehre nur mehr großen Firmen und Lobbyisten überlassen wird, verarmen die Universitäten sowohl an Studienrichtungen als auch an finanziellen Mitteln. Aus den Universitäten werden Spezialschulen und freies Studium ist nicht mehr möglich! Bald wird man Spezialisten heranbilden müssen, die alte Studienrichtungen wie Archäologie erst wieder ausgraben müssen, denn ein Baccalaurats-Studium nach der neuen Studienordnung reicht z.B. nicht um eine Grabungsgenehmigung zu bekommen.

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Aktuelle Beiträge

Eine Reise in die Vergangenheit...
Giovanni del Pagliarucci, geboren um 1600, war ein...
arquus - 19. Jan, 15:56
Alte Donau – Übungsfeld...
Bereits am Beginn des 20. Jahrhunderts treten in der...
arquus - 30. Mai, 14:24
Ibiza – Ein Skandal mit...
Könnte ich in die Zukunft blicken, würde ich ruhiger...
arquus - 30. Nov, 19:25
Rückblick auf die letzte...
Erdrückende eineinhalb Jahre liegen hinter uns. Die...
arquus - 3. Sep, 17:38
Nachwahlgedanken
Hmm, es ist schlimmer gekommen! Der gnadenlose Blender...
arquus - 17. Jun, 10:30

Status

Online seit 6996 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 19. Jan, 15:57

Credits


Profil
Abmelden
Weblog abonnieren